Mithilfe

Frauenzentrum in Bhara Kau bei Islamabad

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Hintergrund

Die pakistanische Gesellschaft funktioniert streng patriarchalisch. Das Leben der Frauen unterliegt einem strikten Regelgeflecht aus archaischen Stammestraditionen und einem radikal interpretierten Islam. Frauen sind dadurch im privaten und öffentlichen Bereich stark diskriminiert und ihrer grundlegenden Rechte beraubt. Gewalt an Frauen ist tief verwurzelt und gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. Viele Frauen sind vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen und haben nur stark eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung – rund 70 Prozent der pakistanischen Frauen sind Analphabetinnen.

Laut einer Studie des Pakistanischen Instituts für Medizin sind 90 Prozent aller verheirateten Frauen von familiärer Gewalt betroffen. Jeden Tag werden landesweit mindestens vier Frauen im Namen der Ehre getötet. Schon der leiseste Verdacht auf Untreue oder unmoralisches Verhalten kann Männer dazu bringen, eine Frau zu töten oder aufs Schlimmste zu verstümmeln, um damit die Ehre der Familie wiederherzustellen. Die Täter bleiben meist ungestraft. Gewalt gegen Frauen wird in der Praxis häufig nicht als Verbrechen betrachtet und Frauen erhalten von Polizei und Justiz nur ungenügenden Schutz.

Für Frauen, die sich Gewaltsituationen entziehen möchten, gibt es nur sehr wenige Beratungs- und Zufluchtsmöglichkeiten. Zwar gibt es staatliche Frauenhäuser, in solche dürfen Betroffene allerdings erst auf richterliche Anweisung eintreten. Es handelt sich in der Regel um gefängnisartige Einrichtungen und der Schutz und die Perspektiven, die den Frauen in diesen Einrichtungen geboten werden, sind ungenügend.

 

Frauenzentrum Dast-e-Shafqat (Schüteznde Hand)

Dast-e-Shafqat unterstützt

► Opfer von häuslicher Gewalt, sexueller Ausbeutung oder Vergewaltigung

► Frauen und Mädchen, die von Zwangsheirat betroffen sind

► Frauen und Mädchen, die von «Ehrverbrechen» bedroht sind

► Junge Frauen, die von einer Zwangseinweisung in eine fundamentalistische «Schule» betroffen sind

► Mittellose Frauen ohne Zugang zu beruflicher Ausbildung

 

Anlauf- und Beratungsstelle

Opfer von häuslicher Gewalt, Frauen, die von «Ehrenmord» bedroht oder von Zwangsheirat betroffen sind, finden bei Dast-e-Shafqat Erstberatung und Orientierung. Dast-e-Shafqat bietet unentgeltliche juristische Beratung und Vertretung in Bezug auf Scheidung, Sorgerecht, Unterhalt und Erbrecht. MitarbeiterInnen der Anlaufstelle begleiten und unterstützen Frauen bei Behördengängen wie Gerichtsprozessen oder polizeilichen Befragungen.

 

Frauenhaus

Dast-e-Shafqat nimmt von Gewalt betroffene oder bedrohte Frauen unbürokratisch auf und ermöglicht ihnen solange eine sichere Unterkunft, bis eine andere Lösung gefunden wird.

Das Frauenhaus nimmt, wenn es die Kapazität zulässt, auch die Rolle eines Wohnheims für mittellose Frauen aus entlegenen ländlichen Gebieten ein, die im nahe gelegenen Islamabad studieren oder arbeiten. Ohne eine solche Unterbringungsmöglichkeit wäre diesen Frauen der Zugang zu Bildung oder Arbeit verwehrt, da es pakistanischen Frauen aus kulturellen Gründen nicht gestattet ist, alleine, das heisst ohne Schutz der Familie und ohne männliche Aufsicht, zu leben.

 

Sensibilisierung und Austausch

Viele Frauen haben aufgrund von langjährigen Gewalterfahrungen und Erniedrigungen ihr Selbstwertgefühl verloren und leiden unter Angstzuständen und Depressionen. In der Anlaufstelle erhalten sie die Möglichkeit, mit Mitarbeiterinnen und anderen Betroffenen über ihre Situation zu sprechen und mögliche Perspektiven zu diskutieren. In Workshops und Diskussionsgruppen wird Gewalt an Frauen – vor allem häusliche Gewalt – thematisiert und die Teilnehmerinnen werden auf mögliche psychologische und juristische Unterstützungsangebote aufmerksam gemacht.

Von Gewalt betroffene Frauen sind in der Regel grosser Isolation ausgesetzt und wagen es nicht, mit jemandem über ihre Erfahrungen zu sprechen. Durch die Diskussionsgruppen in geschütztem Rahmen, die Möglichkeit für unverbindliche Einzelgespräche und Beratungen kann diese Isolation aufgebrochen und das Gefühl des Alleinseins gelindert werden.

 

Ausbildungskurse

Um nicht zur Zielscheibe von radikal-islamistischen oder traditionalistischen Kreisen zu werden, muss das Thema Frauenrechte in Pakistan sehr vorsichtig angegangen werden. Aus Sicherheitsgründen sorgen wir deshalb bewusst dafür, dass vor allem der Aspekt Bildung öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Der rege Kursbetrieb im Zentrum garantiert den Frauen zudem eine diskrete und unverbindliche Kontaktaufnahme mit der Anlaufstelle.

Der Besuch der Ausbildungskurse steht allen interessierten Frauen offen und ist weder an die Aufarbeitung einer Gewaltproblematik noch an einen Aufenthalt im Frauenhaus gebunden.

Abgesehen von einer zweimonatigen Sommerpause werden das ganze Jahr über Näh- und Kosmetikkurse durchgeführt. Die Kurse sind sehr beliebt, nicht zuletzt, weil sie die Absolventinnen befähigen, eigenes Einkommen zu generieren. Die Module dauern jeweils rund zwei Monate, pro Kurs nehmen 12-15 Teilnehmerinnen teil.

Im Kosmetikkurs werden die wichtigsten Grundlagen der Haut- und Haarpflege vermittelt und Teilnehmerinnen sind nach Abschluss in der Lage, die in Pakistan übliche Vorbereitungs- und Schminkprozedur für Verlobungs- und Hochzeitsfeiern durchzuführen. Im Moment haben wir dieses Projekt eingestellt, da Opposition aus der Bevölkerung entstanden ist. Es wurde gesagt, das sei zu westlich und gegen unsere Kultur.

Im Frauenzentrum werden Näh-, Computer- und Englischkurse durchgeführt.

 

Dieses Projekt wird wie gewohnt weitergeführt. Hier bestehen von Seiten der Gesellschaft keine Repressalien.